Auf unserer Reise „Rund Ostsee“ im Jahr 2016 sollte der russische Teil der Ostsee nicht fehlen. Dieser Bericht soll unsere Vorbereitungen und Erfahrungen aus nautischer Sicht für diesen Teil der Reise weitergeben. Ergänzungen / Anregungen sind ausdrücklich erwünscht!

Im Vorfeld informierten wir uns mit Hilfe „Länderinformationen“ der Kreuzer-Abteilung des Deutschen-Segler-Verbandes. Diese sind nur Mitgliedern zugänglich, aus diesem Grund traten wir dort ein. Das Ringbuch „Cruising Guide to Baltic Russia – 2016“ der Crusing Association besorgte ich online bei hjertmans.se, da es bei Hansenautic in Hamburg (noch?) nicht gelistet war. Mittlerweile ist eine aktuelle Ausgabe (2016) erhältlich. Erwähnenswerte aktuelle Erfahrungsberichte anderer Segler sind mir nicht bekannt. Das Heftchen der CA behandelt alle russischen Häfen der Ostsee, die von Ausländern angesteuert werden dürfen.

Die Kreuzerabteilung des DSV benennt Tatjana Bukowa als ihre Repräsentantin, die CA Vladimir Ivankiv. Sie bieten allerlei kostenpflichtige Hilfen bei der Bürokratie bis hin zu touristischen Dingen an.

Der erste Eindruck:

Die Informationen der Kreuzerbteilung wirken in Teilen stark angestaubt. Mittlerweile sind hier viele Textteile revidiert. Die Veröffentlichung der CA gibt weit weniger ausführlich Län­derinformationen ist dafür auch Revier und Hafenlotse und war ständiger Begleiter an Bord. Die Angaben zum dem erscheint mir unvollständig, ich rüstete mich desswegen mit den VTS Guides (zut Zeit Offline: World VTS Guide) und dem frei erhältlichen Veröffentlichungen „Sailing Directions“ der National Geospital-Intelligence Agency aus.

Das Visum

Für eine Einreise nach Russland ist ein Visum erforderlich, es ist zwingend im Heimatland zu beantragen, es kann nicht an der Grenze erworben werden. Es ist maximal 30 Tage gültig, es können nicht zwei Visa (zwei verschiedene unabhängige Zeiträume) in einen Reisepass eingetragen werden. Ist im Reisepass noch ein gülti­ges Visum eingetragen, erlischt es und wird durch das zuletzt beantragte automatisch er­setzt.(Diese Informationen habe ich für deutsche Staatsbürger recherhiert, ich kann keine Auskunft über andere Staatsbüger geben).

Unser Plan, Kalliningrad und St. Petersburg zu besuchen, ließe sich also nur innerhalb eines 30 Tage Fensters realisieren, wenn man ein Visum mit mehrfacher Einreiseoption wählt. Das war uns zeitlich zu knapp bemessen. Möglicherweise hätten mehrere Reisepässe das Problem lösen können, der Aufwand erschien uns nicht angemessen und wir strichen Kalliningrad von der Liste der Reiseziele. Die Segelyacht IMPULS ist diese Reise angetreten und berichtet über Ihr Erfahrungen.

Der Visumsantrag ist aufwändig.

  • Nachweis einer abgeschlossenen (anerkannten!) Auslandsreisekrankenversicherung

  • Gehaltsnachweis (kein Witz!) im Original und

  • die „Einladung“

Wer individuell reist, muß dem Antrag eine s.g. Einladung beifügen. Agenturen stellen diese aus und man bekommst einen Zettel mit dem Namen, Liste der Besuchsziele und Zeitraum. Sie ist kostenpflich­tig und es ist ein Markt dafür entstanden. Alle Informationen darüber sind also unter dem Vor­behalt, dass jemand sein Geschäft ins rechte Licht rücken möchte zu betrachten.

Christian Irrgang weist darauf hin, dass es Reisemöglichkeiten mit dem Schiff aus Helsinki nach St. Petersburg gibt, die für 72 Stunden visafrei sei.

Tatjana und Vladimir besorgen entgeltpflichtig die benötigten Einladungen. Das Proze­dere der Beantragung kann man selbst beim Konsulat machen oder bei der VHS-Germany  oder Agenturen wie Passport Hamburg. Ein Visum kostet 35 €, will man nicht selbst zum Konulat und überlässt das bspw. der VHS kommen 27 € hinzu. Für die Einladung haben wir bei Vladimir 25 € bezahlt.

Kosten in unserem Fall also 174 € für zwei Personen.

Bei meinem Visumsantrag benannte ich alle geplanten Häfen als Reiseziel, dies war nicht richtig, denn es stimmte nicht im Wortlaut mit der Einladung überein. Ein Telefonat mit Vladimir konnte dies klären, alle russischen Häfen im finnischen Meerbusen gehören zur Region St. Petersburg und St. Petersburg war ja Teil der Einladung. Es war nicht der letzte Fallstrick mit der Bürokratie.

Es gibt für Segler zwei Zollstationen, von denen aus das Land direkt zu verlassen bzw. zu denen das Land direkt anzulaufen ist. Sie befinden sich in KRONSHTADT 15 nm vor den Toren St. Petersburgs und in Vyborg.

Reisende, die weitere Häfen als den über den sie eingereist sind besuchen wollen, müssen der Immigration einen Reiseplan vorlegen. Für diesen Fall gibt es ein eigenes Fomular, welches Vladimir mir im Vorfeld zur Kenntnis gab. Das war gut, denn es war nicht klar, wie er auszufüllen war. Mit seiner Hilfe hatte ich bei der Immigration eine „Musterlösung“ dabei.

Die Reise.

Die Anreise nach Russland begann mit der Ausreise aus der EU. Mein (recht junger wie ich dachte) Törnführer benannte die Zollhäfen Finnlands nicht richtig. Die Finnen veröffentlichen die Informationen im Netz. Wir reisten übr Santio aus. Die elektronische Seekarte zeigte den Grenzposten als für die Durchfahrt gesperrte Flä­che. Auf VHF 16 wurde mein Ruf nach Finnisch Border Guard nicht erhört, wir fuhren ein. Der Posten war nicht besetzt, sondern kann angerufen werden, eine Telefonnummer hing am Steg aus. Wir erfahren von dem Zöllner das ein Ruf über VHF Kanal 68 eine Stunde vor Ankunft sicherstellen würde, dass es keine Wartezeiten gäbe. Warten mussten wir aber nichtmal 15 Minuten, die Zöllner kamen mit dem Schnellboot und legten hinter uns an der Pier an.

Es war unsere zweite Begegnung mit dem Zoll auf der Reise, ganz anders als die in Deutschland wurden hier keine Steuerdinge abgefragt, sondern der Drogenhund mit einem für unsere Zunge schwerem Name „Wikikki“, oder so ähnlich, ein Labrador, sollte an Bord. Er hat nicht angeschlagen. Die Finnen waren ausgesprochen freundlich und versorgten uns mit einer Vielzahl von Fotokopien der von uns ausgefüllten Crew­liste, die sie alle stempelten.

Wir befragten den finnischen Zöllner nach dem von russischer Seite gewünschten Proze­dere. Antwort: Hört Kanal 16, die Russen wissen bescheid, das Ihr kommt, wenn sie Fra­gen haben werdet Ihr angefunkt.

Unklar ist mir, warum die finnischen Zöllner sagen konnten, der russische Zoll wüsste schon Bescheid. Gibt es einen Datenaustausch zwischen Finnland und Russland? Oder war das ein Hinweis darauf, dass der russischen Küstenwache nichts entgeht.

Trotzdem stellten wir zusätzlich Kanal 74 ein, es hießt, das sei der Kanal der Küstenwache. Es wurde viel gesprochen, nur russisch.

Gerufen wurden wir nicht, aber besucht. Rund eine Stunde nach Grenzübertritt umkreiste uns freundlich grüßend ein Schnellboot der Coast Guard mit Fernglas in der Hand. Woll­ten sie unseren Schiffsnamen am Heck sehen oder nur gucken, wie dämlich ich mich beim Setzen des Genankers angestellt habe? Vladimr fragte später besorgt, ob das Schiff nah gekommen sei oder Schwell verursacht hätte, scheinbar gibt es auch in Russland Meschen, die gern “schnittig” fahren. Es war alles in bester Ordnung.

Die Navigation nach Vyborg irritierte. Sowohl die in elektronischer Seekarte, als auch in den britischen Papierkarten benannten Bojen waren in der Realität nicht vorhanden! Keine Mitte-Fahrwasser-Tonnen waren vorhanden und auch Untiefen waren nicht bezeichnet. Es hatte den Anschein, als seien die Tonnen großflächig nicht ausgebracht. Unbewusstes tritt so zutage. Jede Tonne, die ich im Revier sehe wird auf der Karte gesucht und so die Position auf Plausibilität geprüft, diese Ebene fällt nun weg. Ich wollte stattdessen ein paar Landmarken peilen. Die BA-Karten enthalten keine verwertbaren Objekte wie Antennenmasten oder Windräder. Ich bin verwundert. Sind das militärische Geheimnisse oder wird einfach nicht mehr gepeilt?

Stunden später werden wir auf Kanal 74 gerufen. In bestem Englisch wurden wir aufge­klärt, das wir “you´re leaving my sector now” und uns bei VHF Kanal 69 mit einem unausprechlichem Rufzeichen melden sollen. VHF 74 ist demnach ein Kanal der Verkehrsüberwachung (VTS).

VHF 74 ist lauf VTS Guide “Sector 1 St. Peterburg Traffic”, das ist ein Widerspruch zu den Informationen, dass die Border Guard dort zu erreichen sei.

Viele Schiffe – auch das lernte ich später – die ähnlich wie ich den Namen der Verkehrslenkzentralen nicht schnell genug verstehten, riefen einfach nur „VTS“ und wurden selbstverständlich erhört.

Es handelte sich um Vysotsk Traffic auf VHF 69.

Es bleibt nicht das einzige Mal, das wir angesprochen wurden ohne das wir uns vorher aktiv gelemdet haben. „Man weiß also, wo wir sind“. Keine Kunst, wie auf der ge­samten Reise war auch in Russland unser AIS eingeschaltet. Ich finde es gut, gesehen zu werden.

In Vyborg selbst ist die große Zollpier gut zu finden. Allerdings fuhren wir zunächst an die Pier für Fähren. Ein ganz kleiner Yachtanleger wurde uns gezeigt. Auch Vyborg ist nicht permanent besetzt, eine ausgehängte Telefonnummer wird gewählt. Kurze Zeit später treten die herbeigeeilten Personen in Zivil auf und richten die Halle für die Passagierabfertigung und sich selbst für unsere Abfertigung her. Es bleibt unklar, wer die Bürokratie erfunden hat, die Deutschen oder die Russen, folgenden Formulare hatten wir zu bewältigen.

  • Immigrationcard (für jeden von uns, wird in den Reisepass gelegt)
  • ISPC – Unterweisung quittieren. (Auch in Russland ist das Mitnehmen von blinden Passagieren verboten)
  • Sailingplan ausfüllen
  • Zollerklärung für das Schiff selbst.

Bereits einen Tag später beim Schreiben dier Zeilen sind Anke und ich uns nicht mehr einige, ob es den Sailingplan in zwei Varianten gab. Es war ein Eldorado für Bürokraten!

Als wir mit Ankes Schulrussisch und dem Schuldeutsch der Zöllnerin nicht weiterkamen, (Englisch ging eh nicht) rief die Zöllnerin laut „Äidschent“ in den Raum und kam mit einem Mobiltelefon und Vladimir am anderen Ende wieder. So hört man sich wieder! Das hat in der schlecht belüfteten Halle für deutlich Abkühlung gesorgt. Er konnte nicht nur dolmet­schen, sondern kannte auch die Fallstricke der Bürokratie. „Make shure they unterstand, that you are going to St. Petersburg“.

Die beiden Zöllnerinnen in Russland wie auch die finnischen Kollegen waren beste Aus­hängeschilder ihrer Länder. Freundlich und Hilfsbereit. Danke!

Unseren eigentlichen Plan, von Hafen zu Hafen zu tingeln haben wir geändert und uns für Viborg, Bukhta Dubkovaya und St. Petersburg entschieden, zu groß ist die Lust auf diese Stadt, die Zeit wollen wir nicht in den kleinen Häfen (die wir ja gar nicht kennen) verbrin­gen. So haben wir in Vyborg nur eine Nacht für wahnsinnige 2050 Rubel, verbracht. Der Steg der Yachtclubs Favoriet gegenüber der Brücke ist nicht zu empfehlen. Beißender Ge­stank bei den Mülltonnen, keine Waschgelegenheit und total überteuert.

Die Fahrt nach / von Vyborg führt nach der Einfahrt durch den Hafen von Vysotsk durch ein landschaftlich schönes Gebiet.

Von Vyborg nach Bukhta Dubkovaya fährt man an Primorsk vorbei. Es wurde ein Anmelden beim örtlichen VTS empfohlen. Dem kamen wir nach. Verständigung in Englisch ist gut. Hier habe ich zum zweiten Mal die Papierkarten herausgesucht. Der VTS rief uns und bat um einen Kurswechsel, man wolle etwas Platz für einen großen Tanker haben. Es wurden Bojennummer und Nummern von Fahrwassern angesagt. Erste ginge gerade noch aus dem Plotter herauszuprügeln, eine große Schwäche an den elektronischen Seekarten ist aber das Finden von bezeichten Gebieten. Teilweise fehlen Angaben wie der Name des Fahrwassers hier.

Bukhta Dubkovaya ist eine kleine Bucht an der sonst doch recht geraden Küste. Es entsteht eine kleine Ferienbungalowsiedlung mit kleinem Spielplatz und Restaurant. Wir haben wirklich gut gegessen und sehen gute Sanitäranlagen.

Es ist wird nicht das letzte Mal sein, dass unser Auge sich wundert. Nah beieinander liegen neue Anlagen, eine Augenweide, und Schutthaufen oder Ruinen um die sich niemand kümmert.

Zum ersten mal sehen wir einen Hubschrauber landen. Ein Notfall? Der Hubschrauber ist viel zu klein für eine Krankentrage. Es steigt eine Familie aus. Zwei Stunden später sind sie wieder weg. Einen ausgeweisenen Hubschrauberlandeplatz mag ich nicht erkennen.

Die Fahrt nach St. Petersburg am kommenden Tag verlieft aus navigatorischer Sicht unspektakulär. Eine Yacht mit AIS ist hier keine Seltenheit mehr. Im Hafen angekommen wurden wir erwartet, uns ein Platz zugewiesen und die Leinen angenommen. Dabei hat der Hafenmitarbeiter ständig ein Telefon am Ohr. Vladimir ist dran. Ohne sein Zutun hätten wir auch einen Platz gefunden, aber wir registrieren die nette Geste.

Der Hafen gibt uns abermals Rästel auf. Für die Olympischen Spiele 1980 wurden zwei Häfen errichtet. St. Petersburg und Tallinn Pirita. Tallin war zuerst fertig und bekam die Segelwettbewerbe. Petersburg wurde kein Austragugnsort. Was hier alles kaputt oder improvisiert ist, passt nicht in unser Bild zum Antlitz der Stadt und auch nicht zu den zum Teil recht großen und teuern Yachten. Gehen deren Besitzer hier nie auf die Toilette oder duschen? Achja, die Hubschrauber landen hier auch, mehrfach täglich.

Einen Bericht über St. Petersburg als touristisches Ziel wird es an anderer Stelle geben.

Es ist ratsam, schnell an Rubel zu kommen, denn an vielen Orten kann nicht mit Karte bezahlt werden. Geldautomaten sind überall zu finden.

Die Ausreise erfolgte nicht über Vyborg, sondern über KRONSHTADT. noonsite.com schreibt, das man “Vyborg  has been reported as being simpler and with less red tape.” im Gegensatz zur aktuellen Berichten aus der Einreise anderer Schiffe in Kronshtadt ist unser Schiff bei der Einreise nicht durchsucht worden. Berichtet wurde von der Durchsetzung der Einfuhrobergrenzen von 3l an alkoholhaltige Getränken. Eine alte Regelung nachder größere  Mengen an Bier / Wein UND zusätzliche Mengen an harten Alkoholica erlaubt waren, ist also durch die neue 3l pro Person-Gernze ersetzt worden. Ob die Getränke beim Zoll vernichtet worden sind, oder bei der Ausreise zurückgegeben wurden – so zumindest die Hoffnung der umbewussten Schmuggler- ist nicht überliefert.

Um den Weg “nach Europa” abzukürzen, kann man im Yachthafen in Krohnstadt festmachen. Preis ist 1800 Rubel, cash. Mit 2m Tiefgang ist der Anleger zu machen, Details auf Anfrage.

Die Ausreise gestaltete sich unkompliziert. Zunächst kam der Zoll und wollte Papiere sehen, dann durchsuchte die Immigration das Schiff. Das nehme ich zumindest an, da es sich um deutlich andere Uniformen handelte. Es folgte die Passkontrolle und Ausreise. In Santio, Finnland kamen wir nachts an, informierten die Border Gurad aber über unsere Absichten vor deren Feierabend um 22.00 h via VHF. Morgens waren 5 Schiffe an der Pier und wurden schnell abgefertigt. Welcome to Finnland, Passort Please. Keine 10 Minuten würde ich sagen.

Nun kommen keine Passkontrollen mehr, einzig  Ålands und deren Steuerliche Besonderheiten beschäftigen jetzt noch des Skippers Seele.