Wir haben um Gastbeiträge gebeten (und werden es auch weiterhin tun). Unsere Freundin Vroni kam am Tag unserer Abschiedsfete von einer zweimonatigen Reise zurück. Wir haben sie gebeten, einen Gastbeitrag zum Thema “Wie ist es eigentlich, wieder zu Hause anzukommen?” zu schreiben. Genau zwei Wochen nach unserem letzten Arbeitstag ist der Bericht bei uns angekommen und wir veröffentlichen ihn gerne! Danke Vroni

 

Heimkommen?

Anke und Matthias baten mich um einen Gastbeitrag auf ihrem Blog. Grund: An den Tag an dem sie zu ihrer großen Reise aufgebrochen sind / bzw. ihren Abschied gefeiert haben, kam ich von 2 Monaten Segeln wieder. Keine 6 Monate, aber auch eine „Auszeit“ unter Segeln. Zur Rückkehr kamen Fragen auf wie:
Wie wars? Was haste erlebt?
aber auch:
Und wie geht’s jetzt weiter? Wie ist das Heimkommen? Wie fühlt es sich an wieder an Land zu sein? Wie ist es wieder zu Hause?
Natürlich eine berechtigte Frage, vor allem werden euch, Anke und Matthias, in 6 Monaten diese Fragen auch treffen.

Nun war ich 2 Monate Segeln, habe den Nord-Atlantik im März überquert, einen Sturm erlebt, Länder gesehen, in die ich wahrscheinlich nie wieder kommen werde, unter Vollzeug (inklusive Toppsegel und Flieger) auf dem Nord-Atlantik gesegelt, Delphine, Wale, Schildkröten gesehen, und noch viel mehr. 
Es war eindrucksvoll, es lässt sich nicht in wenige Worte fassen, überhaupt fühlt es sich beim Erzählen mehr wie der Inhalt eines dicken Buches an. Man kann seine Eindrücke und Erlebnisse nicht wirklich wiedergeben. Es war irgendwie und irgendwo ganz anders. Das “zu Hause” in Kiel war weg, einfach wie ausgetauscht, spätestens als ich in Kuba an Bord gegangen war. Hin und wieder habe ich an “zu Hause” gedacht, jedoch eher als: noch ist es weit, weit weg und es ist gut so! Vermisst habe ich es nicht. Und als schon die üblichen langen 3-4 Wochen eines sonstigen Sommer-Urlaub vergangen waren, war ich maximal gerade bei der Halbzeit meiner Reise-Zeit.

Doch wie geht’s weiter, wenn ich wieder “zu Hause” bin?
 Darüber hab ich mir unterwegs gar keine Gedanken gemacht, eigentlich ziemlich bis zum Schluss nicht. In der Rückschau lässt sich sagen: Plötzlich war es vorbei, als wir in die Elbe eingelaufen sind, heimische Gewässer, Land an Bb. und Stb. Nun war das Segeln vorbei, fast 2 Tage Motorfahrt auf Elbe und NOK angesagt. Bekannte Gewässer, aber immer noch in der Gesellschaft und an Bord, war das „heimische“ Leben ausgeblendet. Zwar hin und wieder die Fragen der Schüler, die sich mit ihrer Heimkehr versuchen auseinander zusetzen, aber kein wirkliche wahr-haben-wollen.
Und dann der Abschied und das Willkommen in Kiel, irgendwie surreal, man trennt sich von den anderen 49 Leuten, mit denen man auf engem Raum zusammen gelebt hat, die man tag-ein-tag-aus gesehen hat, wo man keine wirkliche Möglichkeit hatte sich aus dem Weg zu gehen. Wirklich allein war man nur auf dem Klo. Demnach zieht der Abschied sich, keiner will so wirklich loslassen.

Und wie ist das Wiedereintreten in das “heimische Leben”
Man hat das Gefühl, es ist weitergegangen als wäre nichts gewesen. Kurze Fragen, kurze Antworten, das Erlebte lässt sich halt nicht in wenige Sätze fassen, und ist irgendwie auch nicht wirklich greifbar und vermittelbar, jedenfalls nicht in dem vollen Umfang wie man es erlebt hat. Eindrücke kann man weitergeben, Bruchstücke…
Zudem darf ich abends nach Ankunft gleich auf euren Abschied zur eurer großen Reise. Ich freu mich für euch, kann mir gut vorstellen, was ihr erleben werden und würde am liebsten mitfahren, einfach wieder raus! Die Aufregung, das Abenteuer, die Vorfreude auf die Reise und die Erlebnisse, die Weite, die Freiheit und was das alles noch so beinhaltet.

Und dann Beginn der Arbeit: Eintritt in die Wirklichkeit. Ich habe das Glück, gleich wieder voll durchstarten zu dürfen: Samstag Ankunft, Sonntag noch schnell das eigene Boot saisonfertig machen zum Wassern und Montag um 7:00 dann auf Arbeit sein. Wumms, reingefallen wieder ins Leben. 8h Arbeitstag, Überstunden vorprogrammiert und so geht es die gesamt Woche weiter. Ich schaffe x Stunden Arbeit bis Sonntag, denn den Sonntag darf ich auch gleich arbeiten. Ich bin ja erholt und ausgeruht, da sind Dienste doch nen Klacks.
Auf diese Weise bleibt wenig Zeit zum Realisieren, zum Ankommen, oder auch Verarbeiten, was alles gewesen ist. Es ist wie ein umgelegter Schalter: Segelreise – klack – Arbeit. Manchmal habe ich das Gefühl, ich bin wie eine Maschine, tue das Gewohnte, Bekannte, arbeite nach Programm. Und die Stunden fliegen dahin, es werden Tage, Wochen, plötzlich ist ein Monat um. Wann war ich nochmal weg? Wie war das eigentlich? Es fühlt sich an, als sei es ewig her, dass ich wieder gekommen bin. Bedauern schleicht sich ein, dass diese zwei Monate so schnell durch die Hintertür verschwunden sind, dass der Alltag einen so schnell wieder eingeholt hat. Ich will diese Zeit mehr genießen können, mich nicht so schnell selber überholen. Es ist komisch, wie schnell man sein Leben ändern und anpassen kann, auch wenn man es eigentlich gar nicht will.
Hin und wieder, am Anfang mehr als jetzt, kommen Erinnerungen hoch, vermisst man Dinge aus den 2 Monaten: der andere Rhythmus mit Wachsystem und nächtlichem Aufstehen, Backschaft von 06:00Uhr bis 20:00Uhr mit Steaks minutengenau gar für 50 Personen gleichzeitig, Flüche auf Neptun, der wieder alles durch die Gegend fliegen lässt, Gummistiefel-Mief, dauernde Gesellschaft, ständig schwankender Grund. Andere Reiseteilnehmer hatten noch 2 Wochen frei, bevor der Alltag sie wieder eingeholt hat. Ob es sie besser getroffen hat damit? Sie wachen nachts zur üblichen Wachzeit auf, sind dann verwirrt ob des unbekannten Ortes, haben viel Zeit zum Nachdenken und Bedauern, fühlen sich unverstanden, einige plötzlich allein und einsam. Ich weiß nicht was besser ist…
Findet es selber heraus!

Auf alle Fälle: Genießt die Reise in vollen Zügen, mit allem was euch erwischt, auch den Sturm, den Dauerregen, den Wind gegen-an, ein Speed-Folke, welches euch in Haparanda schon erwartet und was da noch so kommen mag. 
Ich würde so eine Reise jederzeit wieder machen, es war definitiv die richtige Entscheidung: Einfach den Alltag mal verlassen, was komplett anderes machen, aus der geebneten Bahn ausbrechen, oder wie man es auch nennen mag.
Viel Erfolg euch und weiterhin tolle Reise!!!!